Achtung Stellungnahme❗
Ein langer Text aber es lohnt sich 🙂
Antwort des Vereins Lebenswertes Laubach auf die Frage(n) der Projektgesellschaft Singalumnat
(Fragen sind im Text enthalten)
Frage der Projektgesellschaft als PDF
Unsere Antwort als PDF
im Folgenden erhalten Sie eine möglichst ausführliche
Beantwortung Ihrer Frage an uns bezüglich unserer Position um das geplante
Bauprojekt. Zunächst möchten wir allerdings anmerken, dass die von Ihnen
gestellten Fragen genau die sind, auf die wir seit Beginn unserer Initiative
gewartet haben, da eine Kompromissfindung nur möglich ist, wenn beide Seiten
die Beweggründe der jeweils anderen Seite kennen.
Zur Ihrer Fragestellung sei uns noch eine Vorbemerkung
gestattet: In Ihrem Terminvorschlag haben Sie für die weiteren Gespräche einen
Verhaltenscodex vorgeschlagen, in dem es u.a. um gegenseitigen Respekt geht, um
Diskussion auf Sachebene und Vermeidung von gegenseitigen Schuldzuweisungen und
Kränkungen. Eine Unterstellung der „Verweigerung zum Aufstellungsbeschluss“
ohne unsere Bewegründe, und Positionen zu kennen, erschwert eine offene Diskussion
auf Sachebene
Um Ihre Fragen möglichst präzise beantworten zu können, muss
leider etwas weiter ausgeholt werden, um die Gesamtheit der heutigen Situation
in Laubach und speziell im Musikerviertel aus unserer Sichtweise zu beschreiben.
Die Forderungen der Anwohner resultieren unter anderem auch aus dem im
Folgenden beschriebenen gesamtheitlichen Blick:
Wohnraumbedarf –
Wohnraumversorgungskonzept - IKEK
Laut Wohnraumversorgungskonzept - und damit argumentieren die meisten
Befürworter des Bauprojektes – werden in den kommenden Jahren zusätzliche 150
Wohneinheiten in der Großgemeinde Laubach benötigt. Dieser Bedarf resultiert
aus dem demografischen Wandel und der Entwicklung hin zu Wohneinheiten für
weniger Personen. Wir verwenden allerdings für unsere Bedarfsanalyse neben dem
Wohnraumversorgungs-konzept zusätzliche Daten aus dem kommunalen
Entwicklungskonzept der Stadt Laubach (IKEK), das in seiner Datenanalyse zum
Gebäudebestand alleine in der Kernstadt einen Leerstand von 45 Wohngebäuden und
173 vom Leerstand bedrohter Wohngebäude aufgenommen hat. Das sind also 218
Wohneinheiten, die im schlimmsten Fall in den kommenden Jahren leer stehen
werden. Bei 1.258 Wohngebäuden in der Kernstadt insgesamt eine Katastrophe.
Beide Analysen muss man aus unserer Sicht zusammen betrachten, um geeignete
Lösungswege gesamtheitlich zu finden. So sind die vom Leerstand bedrohten
Wohneinheiten in der Mehrzahl größere Wohneinheiten zum Beispiel
Einfamilienhäuser. Das bedeutet, dass der drohende Leerstand nicht direkt durch
den prognostizierten Bedarf an kleineren möglicherweise auch barrierefreien
Wohneinheiten ausgeglichen werden kann. Um aber den Leerstand zu verhindern,
bedarf es an Konzepten, die zum Beispiel einen Umbau von großen
Einfamilienhäusern in Zweifamilienhäuser attraktiv machen. Da aber Projekte,
wie dieses von Ihnen geplante, zu einer möglichen Überversorgung insgesamt an
Wohneinheiten führen kann, besteht für die Eigentümer kein Investitionsanreiz
und sogar ein Investitionsrisiko, ihre Häuser in kleinere und zum Teil auch
barrierefreien Einheiten umzubauen. Aus diesem Grund und der möglicherweise
unterschiedlichen Sichtweise haben wir eine andere Ansicht über die
Notwendigkeit, eines solchen geplanten Projektes.
Richtet man sich mit dem Fokus aus der Kernstadt nur alleine
auf das Musikerviertel, das wir im engeren Sinne aus den Straßen
Johann-Sebastian-Bach-Straße, Beethovenstraße, Brahmsstraße, Richard-Wagner-Straße
und In der Gombach zusammenfassen, hat hier ein sehr behutsamer und langsamer Generationenwechsel
eingesetzt. Die Nachbarschaft kümmert sich umeinander und neu hinzugezogene
werden sehr schnell in die Gemeinschaft aufgenommen. Das Viertel besteht ca.
aus 160 Wohneinheiten. Das ist die Anzahl der Flyer, die wir in diesen Straßen
in die Briefkästen werfen. Geht man im Schnitt von 2,1 Bewohnern pro
Wohneinheit aus (das ist der Durchschnitt für Laubach laut Wohnraumversorgungskonzept),
sind das ca. 336 Nachbarn in diesem Stadtviertel. Das von Ihnen geplante
Projekt wird mit bis zu 45 Wohnungen konzipiert. Das heißt, dass das Viertel
innerhalb kürzester Zeit um 28% an Wohneinheiten und an Bevölkerung ansteigen würde
– und dies dazu nicht über die gesamte Fläche von 13 Hektar (das ist die
Gesamtfläche des Musikerviertels) verteilt sondern auf einen engen Raum von 0,5
Hektar begrenzt. Eine solche Maßnahme wird ohne Zweifel auch einen erheblichen
Einfluss auf die Strukturen haben, auf den Generationenwechsel, auf das
Miteinander. Ob positive oder negative kann nicht gesagt werden, aber wir plädieren
für einen behutsamen Wandel.
Wohnungsmarkt
Strukturpolitisch sehen wir auch, dass es notwendig ist,
bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, es Menschen zu ermöglichen, ihre private
Altersvorsorge durch ein selbstgenutztes Eigenheim zu sichern. Darauf abgezielt
haben zum Beispiel unsere Fragen an Sie, welchen Quadratmeterpreis Sie als
„bezahlbaren“ Wohnraum erachten, unabhängig davon, welchen Verkaufspreis Sie
bei diesem Projekt anstreben. Im Raum stehen – und das wurde an
unterschiedlichen Stellen genannt – 2.500 € Verkaufspreis pro Quadratmeter. Ein
sich daraus ergebender Gesamtpreis für eine 80-Quadratmeter-Wohnung von 200.000
€ plus Nebenkosten erachten wir für Laubach nicht als bezahlbaren Wohnraum. Wir
befürchten daher, dass aufgrund zu hoher Renditeerwartungen und –versprechen
Immobilienanleger Eigentumswohnungen kaufen werden, die möglicherweise auch im
Hinblick auf nicht dauerhaft niedrige Zinsen eben nicht Werte für Ihre
Altersvorsorge aufbauen werden und das aufgrund anfänglich zu hoher Erwartungen
hinsichtlich einer zur Finanzierung notwendigen Quadratmetermiete eine hohe
Fluktuation bei den Bewohnern stattfinden wird, die das oben erwähnte Gefüge im
Musikerviertel erheblich belasten wird. Sie haben in der Beantwortung unseres
Fragenkataloges angemerkt, dass einige unserer Fragen über die Kompetenzen
einer Bürgerinititative hinausgehen würden. Diese Fragen zielten genau auf
diese genannten Sorgen der Anwohner im Musikerviertel ab und bisher wurden uns
diese Sorgen nicht genommen.
Das gemeinsame Ziel
Wenn man nach einem Kompromiss sucht, ist es hilfreich,
zunächst nach dem gemeinsamen Ziel zu suchen, auf dem man dann möglicherweise
aufbauen kann. Wir denken, dass das einzige gemeinsame Ziel aller Beteiligten
ist, dass die Ruine des alten Singalumnates durch eine neue Wohnbebauung
ersetzt wird. Die unterschiedlichen Vorstellungen von einer Realisierung dieses
Ziels sind aber einzig der Tatsache geschuldet, dass wir alle es mit einem
Grundstückseigentümer zu tun haben, dem es ausschließlich um die Rendite seiner
„Schrottimmobilie“ geht, der sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung als
Eigentümer seit Jahren entzieht. Hier ist aus unserer Sicht in den vergangenen
Jahren zu wenig seitens der Verwaltung (z.B. Ordnungsamt und Bauordnungsamt)
unternommen worden, um die Verpflichtungen am Eigentum einzufordern und auch
durchzusetzen. Die Planung einer Wohnanlage in dieser Dimension hat zusätzlich
dazu geführt, dass die Renditeerwartungen des Eigentümers weiter gestiegen sind.
Das sehen Sie alleine an den schwierigen Verhandlungen, die Sie mit dem
Grundstückseigentümer führen müssen. Daher sind wir der Ansicht, dass gerade
ein Bebauungsplan ohne Einschränkungen den Grundstückswert derart erhöht, dass
eine dem Viertel angemessene Wohnbebauung kaum noch möglich scheint. Auch aus
diesem Grunde, also zur Verhinderung eines Anstieges der Preisvorstellungen,
sind wir zum aktuellen Zeitpunkt gegen einen Bebauungsplan. Hier wird der
zweite Schritt vor dem ersten unternommen und damit eine einvernehmliche Lösung
extrem erschwert. Nachdem das Gebäude nun seit vielen Jahren zerfällt, kommt es
auf ein paar weitere Jahre nicht an, wenn man gewillt ist, gemeinsam an einer
aus unserer Sicht vernünftigen Lösung zu arbeiten. Da wir wie eingangs
beschrieben auch nicht den akuten Wohnraumbedarf bzw. Mangel an Wohnraum sehen,
wäre eine langfristige Lösung in diesem Sinne auch nicht problematisch. An
dieser Stelle stellt sich uns auch die Frage, wieso der Zeitplan bei Ihrem
Projekt immer so knapp gehalten werden muss, wieso ein neuer Aufstellungsbeschluss
unbedingt noch vor der Sommerpause der politischen Gremien getroffen werden
muss, wieso in der Vergangenheit keine Zeit vorhanden war, um sich gemeinsam
und ausführlich über die unterschiedlichen Sichtweisen auszutauschen. Und auch
die aktuelle Vorgehensweise und der damit verbundene Zeitdruck machen uns eher
misstrauisch als zuversichtlich.
Nun aber zur Beantwortung Ihrer Fragen:
a)
Nach bestehender Faktenlage, was möchte der Verein
Lebenswertes Laubach mit seiner Position, die gegen den Aufstellungsbeschluss
des Bebauungsplanes der J.-S.-B.-Str.22 votiert, erreichen?
Im Prinzip ist aus den oben
genannten Gründen unsere Position, dass wir derzeit nicht für einen
Bebauungsplan sind und unsere Ideallösung ist, Geduld zu haben und an einer
anderen Lösung zu arbeiten, die eine deutlich angemessenere Wohnbebauung
ermöglicht.
b) Was ist der angestrebte Nutzen, der sich aus
dieser Position ergibt?
Wir denken, dass man mit Geduld
und Hartnäckigkeit zu einer Lösung kommt, die in das gesamte Erscheinungsbild
des Musikerviertels hineinpasst, dem langsamen Generationenwechsel gerecht wird
und auch für die gesamte Kernstadt einen Investitionsschutz für
Bestandsimmobilien bietet, die vom Leerstand bedroht sind.
c) Was ist Ihr eigentliches Interesse, welches
sich hinter der Verweigerung zum Aufstellungs-beschluss verbirgt, wenn klar
geworden ist, dass laut Faktenlage, gesetzlich alles geregelt und geschützt
ist?
s.o.
Sie schreiben von „Verweigerung zum Aufstellungsbeschluss“,
was wir entschieden von uns weisen. Ihre Einschätzung kann nur daraus
resultieren, dass Sie es bisher eindeutig versäumt haben, uns nach unserer
Interessenlage zu fragen. Wir haben oben beschrieben, was unsere
Idealvorstellung als Lösung für das ehemalige Singalumnat ist, möchten Ihnen
aber versichern, dass wir seit Beginn immer offen für eine Kompromisslösung
gewesen sind. Daher sollten Sie wissen, dass wir hinsichtlich eines möglichen
Bebauungsplanes Grenzen haben, innerhalb derer eine Projektumsetzung dennoch
möglich sein sollte. Diese Punkte gehören in den Aufstellungsbeschluss, der
letztlich die Vorgabe an die weitere Planung im Bauleitplanverfahren sein wird:
- Begrenzung auf die
Flurstücke 1/2 und 65
- Die maximale Geschoßzahl
beträgt 2+1 (2 Vollgeschosse und 1 Staffelgeschoß nach Maßgabe des §2 Abs.
4 der HBO)
- Die maximale Gebäudehöhe
(der höchste Punkt) beträgt 236 Meter ü.N.N.
- Die aktuell gültige Stellplatzsatzung
der Stadt Laubach wird auch auf dieses Bauvorhaben angewendet.
- Die Stellplätze müssen auf
dem Grundstück geschaffen werden
- Es wird ein
städtebaulicher Vertrag nach §11 BauGB geschlossen
- Es wird ein
Durchführungsvertrag nach §12 BauGB geschlossen
- Eine Umweltprüfung wird
durchgeführt, da die Liegenschaft direkt an die Streuobstwiese und den
Waldrand anschließt
- Ein Verkehrsgutachten wird
erstellt, dass den Engpass am Kindergarten „Weltentdecker“ und am Engpass
Johann-Sebastian-Bach-Straße 2 bis 8 untersucht
Diese Punkte haben wir am Freitag, 25.05.2018 während eines
gemeinsamen Informationstreffens besprochen und sie bilden das Meinungsbild im
Musikerviertel ab.
Zu Nr. 1 haben wir folgende Erläuterung bzw. Begründung: Der
Ramsberg und speziell die an das Alumnat angrenzende Streuobstwiese sowie der
Wald oberhalb ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Menschen im
Musikerviertel und ganz Laubach und auch für den Tourismus nicht unerheblich.
Direkt angrenzend an die Wegeparzellen beginnen ein Vogelschutzgebiet und ein
FFH-Gebiet. Eine Einbeziehung der beiden Wegeparzellen 56 und 66 in ein
Bauprojekt mit entsprechender Versiegelung, Verdichtung und Pkw-Verkehr sind
daher für uns ausgeschlossen. Eine Ausweitung der Projektfläche noch dichter an
den Wald könnte auch zur Folge haben, dass eventuell nicht mehr ganz standfeste
Bäume am Waldrand gefällt werden müssen, um Schäden an Häusern und Pkws bzw.
Personen zu verhindern. Eine Ausweitung der Projektfläche wird daher auch
direkte negative Auswirkungen auf den angrenzenden Wald haben.
Erläuterung zu Nr. 4 und 5: Einige unsere Fragen im
Fragenkatalog zielten darauf ab, zu erfahren, wer die zukünftigen Bewohner bzw.
Käufer der Wohnungen sein werden. Ein Stellplatzschlüssel von unter 1,75 wurde
von Ihnen bisher immer damit argumentiert, dass es sich um eine
Mehrgenerationenanlage handeln wird mit barrierefreien Wohnungen, um die Anlage
für ältere Menschen attraktiv zu machen. Sie gehen in Ihrer Argumentation davon
aus, dass ältere Menschen häufiger alleine eine Wohnung nutzen und außerdem
weniger Auto fahren. Unter diesen Gesichtspunkten wäre ein Stellplatzschlüssel
von 1,25 oder 1,5 gerechtfertigt.
Dabei missachten Sie aber, dass weder die
Entscheidungsträger im Stadtparlament noch die Projektgesellschaft einen
Einfluss darauf haben, wer tatsächlich die zukünftigen Bewohner der Wohnanlage
sein werden. Auch im Hinblick einer langfristigen Sichtweise kann das von
niemandem heute seriös beantwortet werden. Daher darf man bei der Festlegung
des Stellplatzschlüssels nicht von einer gewünschten Bewohnerstruktur ausgehen
sondern muss einzig die vorliegenden Rahmenbedingungen, die in Laubach bestehen,
beachten. Diese sind unter anderem:
- Mangelhafte
ÖPNV-Infrastruktur
- Weite Wege zu den
Mittelzentren (und Arbeitsplätzen vieler Laubacherinnen und Laubacher)
- Keine Anbindung an
Autobahn und Schiene
- Speziell für das
Musikerviertel: ein weiter Weg zu den Einzelhandelsgeschäften am
westlichen Stadtrand
Das bedeutet, dass ein Bewohner, der nicht komplett auf
fremde Hilfe angewiesen sein will, über ein Auto verfügen muss, um zu seiner
Arbeitsstelle zu gelangen (in Gießen, Grünberg, Lich, Frankfurt,…) oder um zum
Einkauf fahren zu können. Sollte die Wohnanlage zum Beispiel sehr attraktiv für
junge Familien werden, weil ihnen eine Eigentumswohnung oder Mietwohnung in
Gießen zu teuer ist, weil sie sich eine sehr gute Schulbildung für ihre Kinder
an den Laubacher Schulen erhoffen, weil sie ein gesundes Lebensumfeld mitten in
der Natur im Luftkurort Laubach wünschen und weil sie längere Wege zur Ihren
Arbeitsstellen nach zum Beispiel Gießen in Kauf nehmen, dafür aber wesentlich
geringere Lebenshaltungskosten insbesondere für Wohnen haben wollen, reicht ein
Stellplatzschlüssel von 1,25 oder 1,5 nicht mehr aus. An dieser Stelle kommen
wieder die Belange der Anwohner ins Spiel, die von den Problemen mangelnder
Stellplätze in der Johann-Sebastian-Bach-Straße direkt betroffen sein werden.
Eben und gerade weil es nicht gesteuert werden kann, wer die Bewohner zukünftig
und auch in vielen Jahren sein werden, sehen wir in der Festlegung eines zu
geringen Stellplatzschlüssels einen Egoismus gegenüber den derzeitigen Anwohnern,
den wir so nicht akzeptieren können.
Wir sind uns dessen bewusst, dass diese von uns genannten
Grenzen, die Bestandteil eines neuen Aufstellungsbeschlusses sein sollen,
indirekt auch auf die Anzahl der Wohneinheiten haben wird und damit auch auf
die Rendite, die sich für die Projektgesellschaft aus diesem Projekt ergeben
wird. Wir gehen aber davon aus, dass auch unter diesen Einschränkungen ein
Projekt wirtschaftlich sinnvoll umsetzbar sein kann.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Wenig
Vorsitzender
Lebenswertes Laubach