Donnerstag, 29. Oktober 2020

RICHTIGSTELLUNG zum Artikel im Gießener Anzeiger vom 29.10.2020

Gießener Anzeiger vom 29.10.2020


Die Überschrift des Beitrages und ein Zitat von Herrn Bürgermeister Peter Klug im Artikel des heutigen Gießener Anzeigers lesen sich irreführend. Daher hier eine Richtigstellung:

  • Die Unterüberschrift: "Verein Lebenswertes Laubach darf nicht mehr auf das Grundstück"
    Richtig: Wir hatten das noch nie gedurft, da es sich um ein privates Grundstück handelt

  • Das Zitat von Herrn Klug: "Ich wundere mich nur, dass Menschen auf einem ihnen fremden Grundstück Begutachtungen vornehmen lassen können."
    Richtig: Wir haben niemals auf dem Grundstück Begutachtungen vornehmen lassen.

Es ist korrekt, dass ich von einem Anwalt der Firma Gadebau angeschrieben und zur Stellungnahme aufgefordert wurde, ob ich oder von mir beauftragte Personen das Grundstück zur Erstellung des Gutachtens betreten haben.
Dies habe ich dem Anwalt gegenüber ausdrücklich verneint. Wir haben das Grundstück zur Erstellung des Gutachtens nicht betreten.

Für die Erstellung des Gutachtens sind Kamera und Fernglas zum Einsatz gekommen, um die Habitatstruktur auf dem Grundstück zu bewerten.

Im Übrigen bestätigt unser Gutachten nur das, was die UNB bereits in ihrer Stellungnahme im Bauleitplanverfahren (15.11.2019) geschrieben hat (Seite 4 der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange):
"Aufgrund der teils hohen ökologischen Wertigkeit der Laubgehölze und der vorhandenen Bauruine im Plangebiet stellt die geplante Bebauung jedoch durchaus ein naturschutzrechtliches Konfliktpotential dar." Die im Planentwurf festgelegten Maßnahmen werden aber in Teilen für nicht ausreichend gehalten,
"daher muss vor der Baufeldvorbereitung eine Aufnahme der Fortpflanzungs- und Ruhestätten auch in den Laubgehölzen erfolgen."

Eine Aufnahme der Fortpflanzungs- und Ruhestätten kann nicht durch eine ökologische Baubegleitung erfolgen. Dies ist erstens nicht zeitlich vor der Baufeldvorbereitung und zweitens nicht ausreichend. Hierzu gibt es ganz klar definierte Leitfäden, wie dies zu geschehen hat.

Aus meiner Sicht ist das ein Unterlassen im Satzungsbeschluss und damit ein eindeutiger Fehler um Bauleitplanverfahren, diese wichtige und relevante Forderung der UNB nicht in den BPlan aufzunehmen. Das war letztlich auch der Grund, weshalb wir das Gutachten beauftragt haben. Die Entscheidung der UNB, einen Baustopp zu verhängen, resultiert daher deren eigenen Erwägungen, die bereits im November 2019 vorlagen. Unser Gutachten bestätigt diese Kenntnisse nur und hat geholfen, die Forderung der UNB einer Bestandsaufnahme vor der Baufeldvorbereitung durchzusetzen. Weiterhin wollten wir mit unserem Eingreifen verhindern, dass auf dem Grundstück durch Zerstörung der Habitatstruktur Tatsachen geschaffen werden, die hinterher nicht mehr heilbar sind.

Nicht die Anwohner sind letztlich Ursache für den Baustopp sondern das Unterlassen der Baugesellschaft, während der Erstellungsphase des Bebauungsplanes ein Umweltgutachten zu erstellen, wie es zum Beispiel von Herrn Köhler im Aufstellungsbeschluss gefordert wurde. Ebenso wurden die Hinweise der UNB in deren Stellungnahme zum Planentwurf ignoriert oder nicht ernst genommen. So haben CDU und FW gegen diesen Änderungsantrag gestimmt (wohl um dem Investor Kosten und Zeit zu sparen) und damit diese Verzögerung erst herbeigeführt.

Mein Vorwurf geht auch an das Planungsbüro, das die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange im Auftrag der Baugesellschaft bearbeitet und daraus Beschlussempfehlungen abgeleitet hat. In einem derart komplexen Thema sind die Stadtverordneten, die letztlich über die Einwendungen in einem Satzungsbeschluss entscheiden, auf die fachliche Expertise des Planungsbüros angewiesen. In den Beschlussempfehlungen steht lediglich eine kurze Erläuterung zu den Hinweisen der UNB aber keine daraus abgeleitete Beschlussempfehlung, die die Forderung der UNB (Aufnahme der Fortpflanzungs- und Ruhestätten auch in den Laubgehölzen) berücksichtigt.

Dass man seitens der Projektbefürworter nun beleidigt auf die Anwohner zeigt, dafür habe ich kein Verständnis. Artenschutz ist kein Störfaktor sondern Teil unserer Lebensgrundlagen, über den man sich nicht einfach nach Belieben hinwegsetzen kann, weil er Zeit und Geld kostet.

Andreas Wenig

Samstag, 24. Oktober 2020

Singalumnat: Abriss frühestens ab Oktober 2021?

Wir gehen aktuell davon aus, dass ein Abriss des Singalumnates im Winter 2020/21 nicht mehr stattfinden wird. Grund sind mangelhafte Artenschutzuntersuchungen und ungenügend festgeschriebene Vereinbarungen zum Artenschutz im beschlossenen Bebauungsplan 

Zusammenfassung:

  • Untere Naturschutzbehörde: stoppt Rodungsarbeiten auf dem Gelände des Singalumnates
  • Untere Naturschutzbehörde: hat bereits im November 2019 - im Zuge der Bauleitplanung - auf fehlende Untersuchungen hingewiesen
  • CDU & FW: Beim Aufstellungsbeschluss im Juni 2019 gegen ein notwendiges Umweltgutachten gestimmt
  • Untere Naturschutzbehörde: notwendige Erhebung vor allem von Reptilien und Haselmäusen [anm.: beginnen gerade ihren Winterschlaf] in dieser Jahreszeit nicht machbar

Im Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes hat die Projektgesellschaft einen „Landschaftspflegerischen Fachbeitrag mit integriertem artenschutzrechtlichen Planungsbeitrag“ erstellen lassen, der sich unter anderem mit den Auswirkungen des Bauprojektes auf die angrenzenden FFH- und Vogelschutzgebiete sowie auf den Artenschutz auf dem Grundstück befasst.

Sowohl das FFH- als auch das Vogelschutzgebiet grenzen unmittelbar an das Grundstück des Singalumnates an:

FFH- und Vogelschutzgebiet am Ramsberg


Das Vogelschutzgebiet:

Das Vogelschutzgebiet verläuft über die angrenzende Streuobstwiese bis zum Schlosspark und über den Wald des Ramsberges. Es wird beschrieben als das „beste hessische Brutgebiet“ für Vogelarten wie Schwarzstorch, Rotmilan oder Wespenbussard  (u.a.). 

Das FFH-Gebiet

Es deckt sich teilweise mit dem Vogelschutzgebiet, allerdings zum Beispiel ohne den Bereich der Streuobstwiese. Dieses FFH-Gebiet beheimatet geschützte Tierarten wie die Bechsteinfledermaus, Hirschkäfer, Gelbbauchunken und andere

Das Singalumnat als Lebensraum

Das Grundstück und das verfallene Gebäude des Singalumnates selbst zeigen nach vielen Jahren des Leerstandes, wie sich die Natur ihren Lebensraum zurückholen kann. Inzwischen ist eine sehr umfangreiche ökologische Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf diesem Gebiet angesiedelt, die vor der Durchführung eines Bauprojektes ebenfalls zu untersuchen sind.

Der Fachbeitrag schreibt, es wurde „eine gezielte Kontrolle in Form einer Gebäudebegehung Anfang Oktober 2019“ durchgeführt und dabei keine Hinweise auf aktuelle oder frühere Ruhe- oder Fortpflanzungsstätten von Vögeln und/oder Fledermäusen festgestellt.

Die Habitatstruktur auf dem Grundstück wurde nicht untersucht, hierzu gibt der Fachbeitrag keine weitere Auskunft außer der Anmerkung, dass das „Plangebiet aufgrund vorhandener Strukturen potenziell geeignete Habitate für Vögel und Fledermäuse aufweist.“

Empfohlene Maßnahmen zum Artenschutz

Um Verbotstatbestände gegen Bundesnaturschutzrecht wie Verletzung und Tötung sowie Störung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten geschützter Tierarten grundsätzlich auszuschließen, empfiehlt der Fachbeitrag folgende Maßnahmen:

  • Ökologische Baubegleitung während der Entfernung von Verkleidungen, Schieferplatten und Attikablechen und bei den gesamten Abrissarbeiten
  • Das Entfernen von Gehölzen ist nur in den Zeiträumen Oktober bis Februar oder mit Hilfe einer ökologischen Baubegleitung vorzunehmen
  • Wegfallende Ruhe- und Fortpflanzungsstätten werden durch das Anbringen von geeigneten Vogel- und Fledermauskästen im Verhältnis 1:3 in oder an Fassaden ausgeglichen.

Wenn man davon ausgeht, dass auf dem Grundstück inzwischen geschützte Tierarten beheimatet sein könnten, dann wären die genannten und vorgeschlagenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichend, um zum Beispiel eine Störung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten auszuschließen. Wenn man beispielsweise im Oktober Sträucher entfernt, in denen sich in den Sommermonaten Tiere wie die Haselmaus oder Hirschkäfer erholen oder fortpflanzen, ist dies ein Verbotstatbestand gegen Bundesnaturschutzgesetz.

Unlogisch ist ebenfalls, dass Vogel- und Fledermauskästen angebracht werden, wenn deren Ruhe- und Fortpflanzungsstätten wegfallen. Damit sagt der Fachbeitrag eindeutig, dass geschützte Tierarten sein könnten, empfiehlt aber nur nachträgliche Ausgleichsmaßnahmen. In der Regel müssen Ausgleichsmaßnahmen VOR dem Wegfall von Fortpflanzungs- und Ruhestätten durchgeführt werden.

Gutachten im Auftrag der Anwohner erstellt

Aus Sicht der Anwohner wurden im Bebauungsplan die Vorgaben hinsichtlich Umwelt- und Naturschutz nur unzulänglich umgesetzt.

Für die Baugesellschaft sind der Fachbeitrag und auch die laxe Handhabung seitens der Stadt Laubach im vereinbarten Durchführungsvertrag ein Segen. Erspart man sich doch einerseits genaue Untersuchungen nach sehr strengen Leitfäden auf diesem Gelände und, sofern Funde dokumentiert würden, teure, zeitraubende und aufwändige Ausgleichsmaßnahmen.

Wir Anwohner haben aufgrund dieser mangelhaft ausgeführten Untersuchung und den im Bebauungsplan und im Durchführungsvertrag absolut ungenügend vereinbarten Festsetzungen zum Artenschutz ein eigenes Gutachten beauftragt, das eine Untersuchung der Habitatstruktur auf dem Grundstück zum Thema hat und prüfen soll, ob bei dem Bauvorhaben gegen Artenschutzrecht verstoßen werden könnte.

Dieses Gutachten kommt alleine durch die vorhandene Habitatstruktur zu dem Schluss, dass im Gebäude, in der Strauchstruktur und in den Laubgehölzen Fledermäuse, Haselmäuse, Hirschkäfer sowie Zauneidechsen vorkommen könnten. Der Zusammenhang zum Vogelschutzgebiet, zum FFH-Gebiet, die starke Verbuschung mit geeigneten Futterpflanzen, ein lange leerstehendes Gebäude mit zahlreichen Einflug- und Quartiermöglichkeiten. All das ist ein idealer Lebensraum für viele Tiere und auch geschützte Tierarten.

Ein billiger Plan geht nicht auf

Gemäß Naturschutzrichtlinien können Strauchschichten auf Grundstücken im Zeitraum Oktober bis Februar entfernt werden. Laut Durchführungsvertrag zum Bebauungsplan war vereinbart, dass dies unter „ökologischer Baubegleitung“ stattfinden wird.

Exakt vor Beantragung einer Abriss- und Baugenehmigung, bei der auch die Untere Naturschutzbehörde prüfen wird, ob durch das Bauvorhaben artenschutzrechtliche Belange berührt werden könnten, sollte die die Strauchschicht auf dem Grundstück beseitigt werden. Damit stünde einer Genehmigung durch die Bauaufsicht des Landkreises nichts mehr im Wege.

Am Mittwoch, dem 13. Oktober wurde also begonnen, die Strauchschicht auf dem Grundstück zu beseitigen. Dies geschah durch eine Gartenbaufirma und einen Mitarbeiter eines Umweltbüros, der mit Hilfe einer Mistgabel Sträucher anhob und feststellte, dass sich dort keine Tiere befinden. Darauf hat die Gartenbaufirma begonnen, die Strauchschichten mit einer Motorsense zu beseitigen.

Man sollte dazu wissen, dass zum Beispiel Haselmäuse im Oktober in ihr Winterquartier umziehen, sich also frostsicher zu mehreren in lockeren Boden oder in Laubstreu eingraben. Die Suche mit einer Mistgabel in Sträuchern ist in dieser Jahreszeit nicht das geeignete Mittel, Haselmäuse zu finden.

Erst durch eine sofortige Verfügung der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Gießen, der unser Gutachten vorliegt, konnte die Entfernung der Sträucher auf dem Gelände des Singalumnates verhindert werden.

Unser Fazit zu den Planungen der Baugesellschaft

  • Die Projektgesellschaft hat für den Bebauungsplan einen „Landschaftspflegerischen Fachbeitrag erstellen lassen“, der eine absolut unzulängliche Untersuchung der Habitatstruktur auf Vorkommen geschützter Tierarten auf dem Grundstück darstellt.
  • Im Bebauungsplan und im Durchführungsvertrag sind die Vorgaben hinsichtlich Artenschutz vollkommen unzureichend festgeschrieben worden obwohl die Untere Naturschutzbehörde in ihrer Stellungnahme zum Bebauungsplan explizit darauf hinwies, dass eine Untersuchung nur im Gebäude stattgefunden hat und keine Informationen über Fortpflanzungs- und Ruhestätten in Laubgehölzen und Höhlenbäumen vorliegen.
  • Wesentliche Vorgaben zum Artenschutz wurden bewusst aus dem Bebauungsplanverfahren herausgenommen und sollten auf die Ebene der Vorhabenszulassung (Baugenehmigung) verlagert werden, die UNB hat darauf hingewiesen, dass dringend explizite Festsetzungen von Vorgaben in einem Durchführungsvertrag aufgenommen werden sollten. Das wurde nicht umgesetzt.
  • Ein Änderungsantrag zum Satzungsbeschluss des Bebauungsplanes, der eine Umweltprüfung VOR allen Arbeiten vorschreiben sollte, wurde von den beiden Mehrheitsfraktionen CDU und FW im Stadtparlament abgelehnt.
  • Für das Ziel, die Ruine des Singalumnates nach vielen Jahren des Leerstandes endlich los zu werden, wurde auf Druck der Baugesellschaft der Artenschutz vernachlässigt.
  • Die Baugesellschaft beginnt im Oktober mit der Beseitigung der Laubgehölze unter Einsatz einer ökologischen Baubegleitung, die zur aktuellen Jahreszeit und mit den eingesetzten Methoden genau das findet, was sie finden soll: nichts.

Die gesamte Vorgehensweise interpretieren wir so, dass alles darauf ausgelegt war und ist, aufwändige Prüfungen und eventuell notwendige Ausgleichsmaßnahmen zu vermeiden.

Unsere Einschätzung über die weitere Vorgehensweise:

  1. Aus unserer Sicht sind vor jeglichen weiteren Arbeiten auf dem Grundstück zunächst umfangreiche Untersuchungen auf dem Grundstück und im Gebäude vorzunehmen, um festzustellen ob und welche geschützten Tierarten auf dem Grundstück des Singalumnates leben. Diese Untersuchungen werden nach dem "Leitfaden für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen" durchgeführt und können wahrscheinlich erst ab Frühjahr 2021 begonnen werden, wenn die Tiere aus ihren Winterquartieren gekommen sind.
  2. Im Rahmen der Beantragung einer Abriss- und Baugenehmigung werden die Ergebnisse dieser Untersuchungen berücksichtigt und je nach Inhalt Vorgaben an die Baumaßnahmen erstellt, u.a. eine Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen bevor der bestehende Lebensraum zerstört wird. 
  3. Das Entfernen von Laubgehölzen und der Abriss des Singalumnates werden nach Abschluss aller artenschutzrechtlicher Maßnahmen nur in den kalten Monaten Oktober bis Februar genehmigt werden.

Daher gehen wir aktuell davon aus, dass dies Artenschutzprüfung erst im Frühjahr / Sommer 2021 stattfinden kann und ein Abriss des Singalumnates daher frühestens ab Oktober 2021 genehmigt wird.


Presseschau

 

16.10.2020 Gießener-Anzeiger


21.10.2020 Gießener Allgemeine


22.10.2020 Gießener Allgemeine


Samstag, 17. Oktober 2020

Presseschau vom 17.10..2020 - Rodungsarbeiten gestoppt

Im heutigen Gießener Anzeiger wird darüber berichtet, dass die Untere Naturschutzbehörde die Rodungsarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Singalumnates gestoppt hat und ein ökologisches Gutachten fordert.

Gießener Anzeiger vom 17.10.2020